In einer Zeit der Extreme und der „Schwarz-Weiß-Malerei“ ist daran zu erinnern, dass es echtes Schwarz-Weiß eigentlich nur sehr selten gibt, schon gar nicht in der Natur. Vielmehr haben wir es zumeist mit unendlich nuancierten Abstufungen zwischen den Extremen zu tun, wodurch sich letztere eher als Konstrukt und Abstraktion erweisen. Jedoch kommen diese „Graustufen“ des Denkens und der Wahrnehmung selten zu Wort. Zu umständlich, zu vage, zu unentschieden und auch manchmal zu langweilig scheint das „Grau in Grau“ der Wirklichkeit zu sein und so fliehen wir gerne ins Grelle und Laute und nehmen das Nuancierte und Leise oft gar nicht mehr wahr. Ist dies gar auch eine Auswirkung unserer Gewöhnung an digitale Medien und deren harte Unterscheidung von 0 und 1, die Zwischenräume negiert? Inspiriert von einem jüngst erschienenen Buch Peter Sloterdijks zu diesem Thema, aus dem wir Auszüge lesen werden, wollen wir uns dem Thema der „Graustufen“ in möglichst vielen Facetten widmen und zwar aufgeteilt in einen Theorieteil in der ersten Hälfte des Semesters und einen „Praxis“-Teil in der zweiten Hälfte, in dem es auf die Initiative der Seminarteilnehmer*innen ankommen wird, Themen, Beispiele und eigene Beiträge zu dem Thema selbst zu entwickeln und vorzustellen. Dabei kann das Grau des winterlichen Ruhgebiets ebenso zur Sprache kommen, wie Beispiele aus Kunst und Design, der Fotografie, der Illustration, des visuellen Gestaltung, der Mode, der Objektgestaltung etc.. Aber auch politische Aspekte stehen hier zur Disposition, wie etwa der Kompromiss als mühsamer Graubereich des demokratischen Alltagsgeschäfts oder die „feinen Unterschiede“ (Bourdieu) als Mittel sozialer Distinktion.