Klassifikation von Musikinstrumenten aufgrund spezifischer Kriterien. Fragen zu Systematisierungsmöglichkeiten, Aspekten der Morphologie, Geschichte und Verbreitung von Musikinstrumenten

Die Erfindung des Phonographen sowie die weltweite Gründung von Soundarchiven Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts erwiesen sich für die Institutionalisierung des Faches Musikethnologie, damals „Vergleichende Musikwissenschaft“ genannt, als grundlegend. Im großen Stil wurden nun die Musiken der Welt gesammelt und archiviert. Erschienen die so gespeicherten Klänge zunächst in scheinbar objektivierter Form, die einer wissenschaftlichen Analyse systematisch zugeführt werden konnten, so spiegeln sie doch gleichzeitig immer auch die Beziehungen zwischen Musizierenden, Sammelnden und Forschenden. Kritische Entstehungskontexte wie koloniale Strukturen oder die Kriegsgefangenenlager des Ersten Weltkriegs werfen teils sehr grundlegende Fragen zum heutigen Umgang mit diesen Sammlungen auf.

Im Rahmen des Seminars werden wir unter Einbeziehung der musikethnologischen Fachgeschichte den Umgang mit den in Soundarchiven verfügbaren umfangreichen musikalischen Wissenskörpern thematisieren. Wie können diese heute für einen wissenschaftlichen oder auch künstlerischen Zugang kreativ und gleichzeitig kritisch-reflexiv nutzbar gemacht werden? Wie veränderte sich die Wahrnehmung der Rolle von Archiven innerhalb und außerhalb des Wissenschaftsbetriebs? Nicht zuletzt spielen dabei Fragen zum Urheberrecht kreativer Äußerungen eine wichtige Rolle, die mit der medialen Verbreitung von Klängen in einer globalisierten musikalischen Welt und neuen Formen der Klangarchivierung dringende Aktualität erlangt haben.


In seiner 1995 veröffentlichten Studie „Heartland Excursions“ bezeichnet der amerikanische Musikethnologe Bruno Nettl klassische westliche Kunstmusik als „the last bastion of unstudied musical culture“. Ein Blick auf die musikethnologische Forschung der letzten 30 Jahre zeigt, dass seine Übertragung musikethnologischer Fragestellungen und Methoden auf die Erforschung dieser spezifischen Musikkultur mittlerweile von zahlreichen Forscher*innen aufgegriffen wurde. Wir werden uns im Laufe des Seminars mit verschiedenen konkreten Beispielen einer musikethnologischen Auseinandersetzung mit klassischer westlicher Kunstmusikbeschäftigen. In diesem Rahmen werden wir auch Kernkonzepte ethnologischer Forschung wie Feld und Kultur kritisch diskutieren und sie in Verbindung setzen mit Konzepten wie klassischwestlich und Kunst(musik).   


Einführung in Interpretationskunde anhand ausgewählter Beispiele der Literatur